Milchflasche mit schwarzer Milch milchlos.de Titelseite des Buches zur Milch

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Milch und Prostatakrebs auf ein Neues

in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Bodo C. Melnik, Universität Osnabrück

Es verdichten sich die Beziehungen zwischen erhöhtem Milch– bzw. Milcheiweißkonsum und Prostatakrebs. Diese Zusammenhänge werden begreiflich, wenn Milch nicht ausschließlich als Nahrungsmittel, sondern als hormonaktives Signalsystem der Säugetiere verstanden wird. Stark vereinfacht lässt sich der Signalweg, der durch Milch angestoßen wird wie folgt beschreiben:

Von zentraler Bedeutung für die Signalfunktion der Milch sind nicht die in der Milch enthaltenen Hormone wie das Wachstumshormon IGF–1, sondern die im Milcheiweiß enthaltenen wachstumsfördernden Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Leucin ist im Molkenprotein bis zu 14 % enthalten. Molkeprotein ist nicht ohne Grund blitzschnell verdaulich und setzt die genannten Aminosäuren innerhalb von Minuten frei. Leucin ist mit Abstand die häufigste in Milch vorkommende Aminosäure, deren Anteil etwa 3,50 g je Liter Vollmilch beträgt. Die Aminosäuren sind die eigentlichen Botenstoffe der Milch, werden innerhalb von Minuten in die Blutbahn aufgenommen und treiben dann beim Empfänger – physiologischer Weise dem Neugeborenen und in der Westlichen Welt beim chronischen Milchkonsumenten – die Bildung des Hormons Insulin in der Bauchspeicheldrüse an, das nach dem Konsum von Milch sprunghaft im Blut ansteigt. Anhaltender Milchkonsum, vor allem des Käseeiweißes Kasein, steigert den Blutspiegel des von der Leber gebildeten IGF–1. Insulin, IGF–1 und die genannten Aminosäuren treiben dann in der Zelle den Zentralschalter des Wachstums, das Enzym mTORC1 [mammalian target of rapamycin complex 1] an (siehe Abb. 1).

Abbildung 1

mTORC1 ist ein besonders wichtiges, zentral regulatorisches Enzym, das vor allem Signale von Nährstoffen und Wachstumsfaktoren wie Insulin und IGF–1 aufspürt und integriert, um dann nach entsprechender Aktivierung Zellwachstum und Zellteilung und somit anabole Stoffwechselwege zu fördern. Kommt es dauerhaft zu überhöhten Signalübertragungen im mTORC1–System, dann erhöht sich das Risiko der Entstehung mTORC1–getriebener Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes und Krebs. Deshalb steht der mTORC1–Signalweg mittlerweile im Fokus der Krebsforschung. Bei allen Prostatakrebsen ist der mTORC1–Signalweg übermäßig aktiviert.

Professor Melnik zeigt auf, wie Milchproteine mit ihrer Aminosäure–Funktion die Insulin– und IGF–1–Signalübertragung aktivieren und zur Überstimulation des mTORC1–Signalwegs führen.

Zwar enthalten Fleisch und Fisch ebenfalls reichlich Leucin, dieses gelangt aber viel langsamer in den Stoffwechsel als die Aminosäuren der Milch. So weist Milcheiweiß einen insulinämischen Index von über 100 auf, wohingegen der von Fleisch nur bei 50 liegt. Milcheiweiß ist somit ein insulinotropes, mTORC1–aktvierendes Signaleiweiß, wohingegen Fleisch und Fisch Struktureiweiße sind, die eine viel geringere mTORC1–Aktivierung hervorrufen. Der Mensch als Jäger und Sammler hatte während seiner päläolithischen Entwicklungsphase praktisch nur Zugriff auf Struktureiweiße. Nach der neolithischen Revolution, also nach der Etablierung von Viehwirtschaft und Ackerbau begannen die Signaleiweiße der Milch eine Rolle in der menschlichen Ernährung zu spielen. Und erst nach Einführung der flächendeckenden Kühltechnologie seit den 1950 er Jahren hat sich die heutige Dominanz der Signaleiweiße der Milch etabliert.

Abbildung 2

Milch ist nach Auffassung von Melnik ein von der Evolution entwickeltes endokrines Signalsystem zur Aktivierung der Kinase mTORC1, das in der frühkindlichen Entwicklungsphase nötig und sinnvoll ist, nicht jedoch im späteren Lebensalter. Dann steht die überhöhte Signalübertragung durch permanenten Milchproduktekonsum in unmittelbarem Kausalzusammenhang mit mTORC1–getriebenen Zivilisationskranheiten (Zoncu R et al. mTOR: from growth signal integration to cancer, diabetes and ageing. Nat Rev Mol Cell Biol 2011, 12:21-35; PMID: 21157483).

Wer sich mit dem Einfluss von Milch/Milchprodukten bei der Entstehung oder Förderung von Akne, Diabetes und Tumoren, speziell Prostatakrebs, beschäftigen will, ist mit den Veröffentlichungen von Bodo Melnik und Loren Cordain im Fokus der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse (The impact of cow's milk–mediated mTORC1–signaling in the initiation and progression of prostate cancer. Melnik BC, John SM, Carrera–Bastos P, Cordain L.–Nutr Metab (Lond). 2012 Aug 14;9(1):74. doi: 10.1186/1743–7075–9–74.

PMID: 22891897 [PubMed] Free PMC Article)

In der April-Ausagbe der Fachzeitschrift - Der Hautarzt, Seite 252 ff - kann der mTORC1-Signalweg in einem Aufsatz von Bodo Melnik auf Deutsch nachvollzogen werden.

Letzte Änderung am 14.04.2013

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